Es gibt einige Gründe, die dafür sprechen, dass ein sehr hoher Prozentsatz aller Migränekranken gleichzeitig unter Glukose-Intoleranz mit chronischer Unterzuckerung (Hypoglykämie, recurrent hypoglycemia) leidet. Andere in der Literatur verwendete Begriffe, die im Wesentlichen das Gleiche ausdrücken, sind auch: Aber auch andere im Zusammenhang mit Migräne verwendete Begriffe wie verringerte Insulin-Sensitivität, erhöhte Insulin-Resistenz oder Hyperinsulinismus bedeuten letztendlich alle das Gleiche. Dabei ist es egal, ob zunächst zu viel Insulin ausgeschüttet wird und sich die Insulin-Rezeptoren in der Folge herunterregeln oder ob die Insulin-Rezeptoren von vornherein unempfindlicher sind, wodurch die Bauch-speicheldrüse zu einer verstärkten Ausschüttung von Insulin veranlasst wird: Diese Art der Ursache-Wirkungs-Bestimmung mag für Stoffwechselfachleute von Bedeutung sein, für unsere weiteren Überlegungen ist sie das aber nicht. Die verwendeten Begriffe können deshalb allesamt im Folgenden synonym verwendet werden. Im Wesentlichen bedeuten sie: Kohlenhydrate in den angebotenen Mengen oder Konzentrationen können von der betroffenen Person nicht optimal verstoffwechselt werden.
Wir werden an anderer Stelle näher erläutern, dass chronische Hypoglykämie häufig durch eine möglicherweise genetisch bedingte inadäquate Insulin-Reaktion auf Nahrungsmittel mit hohem glykämischen Index bzw. generell hohem Kohlenhydratgehalt verursacht wird. Im Abschnitt Kohlenhydratstoffwechsel versus Fettstoffwechsel wird daneben die fehlende zerebrale Ketolysefähigkeit als Ursache erarbeitet.
Andere Autoren zeigen auf, dass auch Schwangerschaftsdiabetes immer mehr zunimmt, wodurch die Organe des Kindes bereits im Mutterleib zu einer erhöhten Insulinproduktion gezwungen werden. Der oben erwähnte inadäquate Insulin-Reaktion hätte dann keine genetische Ursache, sondern würde durch veränderte Ernährungsgewohnheiten der Mutter im Mutterleib erworben.
Dass Hypoglykämie eine wesentliche Rolle bei Migräne spielen kann, ist keine neue Erkenntnis. In der Tat wurde dieser Zusammenhang bereits 1933 belegt und später immer wieder bestätigt: - Critchley M. Migraine Lancet 1933;1:123-6
- Wilkinson CF Jr. Recurrent migrainoid headaches associated with spontaneous hypoglycemia. Am J Med Sci 1949;218:209–12.
- Roberts HJ Migraine and Related Vascular Headaches Due to Diabetogenic Hyperinsulinism Headache 1967, July,41-62
- Dexter JD, Roberts J, Byer JA. The five hour glucose tolerance test and effect of low sucrose diet in migraine. Headache 1978;18:91–4.
Die Ergebnisse waren zum Teil so eindeutig, dass etwa Roberts (1967) vorschlug, Migräne in "hypoglykämische Kopfschmerzen" umzubenennen:
"The fundamental metabolic disturbance that usually triggers such headaches is recurrent hypoglycemia ... [it is suggested that] the term migraine be replaced by ... 'hypoglycemic headache.'"
Daneben gibt es zahlreiche Bücher, die auf diesen Zusammenhang hinweisen, und die eine Migränebehandlung auf dieser Basis empfehlen, z. B.: Und wie wir im Abschnitt Was ist Hypoglykämie? darstellen, kommen die Migräne-Sites der verschiedenen Triptan-Hersteller praktisch unisono zu dem Ergebnis, dass Hypoglykämie und ausgelassene bzw. unregelmäßige Mahlzeiten ganz entscheidende Migräne-Trigger sind.
Und schließlich beschreibt auch eine von der australischen Regierung betriebene Website sehr präzise die körperlichen Mechanismen rund um Hypoglykämie und Insulin, die letztendlich zu Migräne führen können.
Die Bedeutung von Hypoglykämie im Rahmen der Entstehung von Migräneanfällen und z. T. auch die Maßnahmen dagegen sind der Migräneforschung also grundsätzlich bekannt.
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