Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Frauen und Männer, die unter Migräne leiden, wissen das nur zu gut: Man glaubt ihnen nicht so recht, wie stark sie leiden, ihre Krankheit wird nicht ernst genommen, oft belächelt oder sogar verspottet. "Das Unverständnis und die Vorurteile ihrer Umwelt sind ein häufiger Grund, dass viele Migränepatienten nicht zum Arzt gehen, sondern mit irgendwelchen Schmerzmitteln an ihrem Leiden herumdoktern", stellt der Münchener Neurologe Dr. Volker Pfaffenrath bedauernd fest. Allerdings sind vorgefasste Meinungen über die Krankheit auch bei Migränikern weit verbreitet, betont der Facharzt und rückt die schiefen Vorstellungen wieder gerade.
"Migräne ist eine Krankheit von Hypochondern oder Sensibelchen."
Falsch und ungerecht! Mit modernen Bildgebungsverfahren lässt sich nachweisen, dass Migräne keine Einbildung ist, sondern ein hochkomplexes körperliches Geschehen im Gehirn.
"Migräne ist wie Kopfschmerz, nur etwas stärker."
Falsch! Die Migräneschmerzen kommen anfallsartig und werden von einem Bündel von weiteren quälenden Symptomen begleitet. Von Übelkeit und Brechreiz zum Beispiel, von Taubheitsgefühl im Gesicht oder an den Armen, von extremer Empfindlichkeit gegen Licht oder Lärm.
"Migräne haben nur Streber oder Intellektuelle."
Falsch! Die frühere Vorstellung, Migräne gäbe es nur bei bestimmten besonders ehrgeizigen oder peniblen Persönlichkeiten, ist längst überholt. Migräniker finden sich in allen sozialen Schichten und unterschiedlichsten Menschentypen (z.B. haben 11 Prozent aller Bundestagsabgeordneten Migräne).
"Die Ärzte können eh nicht helfen."
Auch das ist überholt! Die in den letzten Jahren eingeführten so genannten Triptane (z.B. Maxalt mit dem Wirkstoff Rizatriptan) verhelfen Migränikern zu einer neuen Lebensqualität. Sie machen oft schon nach nur 30 Minuten schmerzfrei. Dr. Pfaffenrath: "Maxalt gibt es auch als Schmelztablette, die sich auf der Zunge auflöst und deshalb nicht mit Flüssigkeit geschluckt zu werden braucht. Das kommt Migränepatienten sehr entgegen, die bei ihren Attacken unter Übelkeit und Erbrechen leiden und deshalb nichts schlucken möchten oder können".
"An Migräne sind Schokolade und zu viele Süßigkeiten schuld."
Wieder ein Trugschluss: Der Heißhunger auf Süßigkeiten oder fette Nahrungsmittel ist oft ein Vorbote einer Attacke - der sich danach entwickelnde Kopfschmerz ist Teil der Migräneattacke und keine Folge des Schokoladengenusses.
"Gewiss: Man muss nicht immer gleich zum Arzt, wenn bei einem Infekt der Kopf dröhnt oder nach zu viel Alkohol der Schädel brummt. Oft hilft schon ein Spaziergang an der frischen Luft oder eine einfache Schmerztablette", räumt der Neurologe Dr. Volker Pfaffenrath ein. "Doch wenn die Kopfschmerzen immer wiederkehren, pulsieren und hämmern, ist ärztliche Hilfe nötig und auch möglich. Eine frühe Diagnose und die richtige Therapie mit einem wirksamen Triptan können verhindern, dass die Krankheit chronisch wird."
Mehr Informationen über Migräne erhalten Sie bei der Initiative "Aktiv gegen Migräne" unter der kostenfreien Hotline 0800 / 7654323 und im Internet unter www.aktivgegenmigraene.de.
Weitere Infos finden sich hier.
Anmerkung von migraeneinformation.de:
In dem Werbebeitrag für das Triptan Maxalt mag zwar mit manchem Vorurteil aufgeräumt werden (z.B. dass Migräne etwas für Menschen mit einem Porsche im Kopf ist, denn diese Auffassung ist in der Tat falsch), dafür werden andere bekräftigt. Wie es für Publikationen dieser Art üblich ist, unterbleibt jeglicher Hinweis auf Eigenmaßnahmen und sinnvolle Lebensstiländerungen werden sogar diskreditiert.
Wir wollen deshalb ein paar andere Dichtungen der Neurologie hinzufügen:
- "Migräne ist eine neurologische Erkrankung."
Falsch! Denn 3x soviele Frauen wie Männer erkranken an Migräne. Ein spezifisches neurologisches Problem von Frauen ist aber unwahrscheinlich. Da die Migräneprävalenz bei Frauen im Gegensatz zu Männern erst mit der Pubertät ansteigt, liegt es nahe, dass es sich bei Migräne stattdessen um eine hormonelle Störung handelt. - "Migräne hat genetische Ursachen."
Falsch! Gleicher Grund wie im Punkt davor: Die Migräneprävalenz bei Frauen steigt erst mit der Pubertät an und ist dann 3x so hoch wie bei Männern. Außerdem hat die Häufigkeit von Migräne in den letzten 30 Jahren insgesamt um den Faktor 3 zugenommen. All das schließt dominierende genetische Ursachen aus. - "An Migräne sind Schokolade und zu viele Süßigkeiten nicht schuld."
Wieder ein Trugschluss.Bei Migränikern konnte eine verringerte Insulinsensitivität nachgewiesen werden, d. h. die Glukosetoleranz von Migränikern ist schlechter als in der restlichen Bevölkerung. Zuckerhaltige Lebensmittel wie Schokolade und Süßigkeiten sind für Menschen mit verringerter Glukosetoleranz ungeeignet, da sie hierdurch leicht einen instabilen Blutzuckerspiegel bekommen. Instabile Blutzuckerspiegel gehören aber zu den bekanntesten und am häufigsten genannten Migränetriggern.
Daneben überrascht es, dass in dem Artikel nicht ein anderes häufig genanntes Vorurteil diskutiert wird: "Migräne ist eine Frauenkrankheit." Frauen waren für den normalen Mann ja noch nie die Ausgeburt des Strebers oder Intellektuellen, inbesondere dann, wenn sie blond sind. Deshalb bestanden bzgl. Migräne in der Bevölkerung schon immer recht unterschiedliche "Dichtungen", die sich zum Teil völlig widersprachen. Die Neurologen haben mit ihrem Porsche-Gleichnis erheblich dazu beitragen, dass sich einige dieser Vorurteile festgesetzt haben.