Der Physiologe Stephen Cunnane von der University of Sherbrooke in Quebec hat während der AAAS-Tagung in St. Louis die Ansicht vertreten, dass sich die Vorfahren des Homo sapiens intensiv von Fisch und Krustentieren ernährten. Diese hätten die mehrfach ungesättigten Fettsäuren geliefert, die ein leistungsfähiges Gehirn benötigt. „Es muss einen Auslöser für die physische Entwicklung des Gehirns gegeben haben“, sagte Cunnane.
Diesen Auslöser will er auf dem Speiseplan der Vormenschen entdeckt haben: Muscheln, Frösche, Vogeleier und Fische. Dies sei eher zufällige Folge dessen gewesen, dass die frühen Menschen sich vor allem in der Nähe von Ufern aufgehalten hätten.
Die in Fisch enthaltenen ungesättigten Fettsäuren seien der ideale Nährstoff für die seinerzeit rapide Entwicklung des Gehirns gewesen, meint Cunnane. Die Anthropologie vernachlässige bislang die ernährungsphysiologischen Umstände, unter denen sich das Hirn entwickeln konnte.
Mehr als die Größe ist eine der herausragenden Eigenschaften des menschlichen Hirns sein großer Energiebedarf. Obwohl das Denkorgan nur zwei Prozent der Körpermasse ausmacht, verbraucht es 20 Prozent der Energie. Bei Säuglingen liegt dieser Wert mit 75 Prozent noch weit höher. Bis heute ist nicht genau geklärt, warum die Evolution ein so aufwendig zu unterhaltendes Organ schuf, das in dieser Ausprägung nicht unmittelbar dem Überleben dient.
Cunnane und seine Kollegin Kathy Stewart vom kanadischen Museum of Nature wollen nun weitere Hinweise für die These entdeckt haben, wonach die frühen Menschen eher zufällig auf die an ungesättigten Fettsäuren reichhaltige Nahrung stießen. Die Forscher wenden sich somit gegen die weit verbreitete Ansicht, dass Vormenschen vor allem landlebende Säugetiere aßen.
Cunnane verweist auf die Tatsache, dass neugeborene Menschen einen vergleichsweise hohen Anteil an Körperfett haben. Dieses macht bei der Geburt etwa 14 Prozent des Körpergewichts aus. Dieses Reservoir ermögliche es Säuglingen, den enormen Energieverbrauch ihres Gehirns zu decken. Cunnane ist der Ansicht, dass dieser ernährungsphysiologische Luxus nur möglich sei, weil die Mütter unserer Vorfahren sich im Übermaß mit üppig verfügbarem Fisch ernährten.
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Anmerkung von migraeneinformation.de:
Leider werden in der Darstellung des Anthropologen Cunnane richtige und falsche Schlussfolgerungen durcheinander gewürfelt.
Es kann überhaupt keinen Zweifel mehr daran bestehen, dass die Voraussetzung für die rasante menschliche Gehirnentwicklung die Umstellung der damaligen Primaten auf eine sehr fettbetonte Diät war. Dazu benötigt es aber keinen Fisch, jede andere fettreiche Nahrung tut es auch, zum Beispiel Knochenmark und Hirn von erlegten Tieren, zunächst wohl von Aas.
Die bislang schlüssigste Erklärung dafür wurde schon vor einigen Jahren von der britischen Anthropologin Leslie Aiello geliefert. Eine detaillierte Diskussion ihrer "Expensive Tissue Hypothesis" findet sich auf migraeneinformation.de auf der Seite Sie sind leistungsfähiger als Sie glauben im Abschnitt "Vom Raubtier zum Menschen".
Allerdings ist eine fettreiche Ernährung allein nicht ausreichend, um die Gehirnentwicklung des Menschen zu erklären. Dazu muss noch die geistige Anforderung kommen, denn sonst müssten Fisch-fressende Haie ja ein besonders großes Hirn haben. Dies ist aber nicht der Fall.
Die geistigen Anforderungen kamen beim Menschen sukzessive durch die Jagd. Zunächst wurden einfachste Werkzeuge konstruiert, möglicherweise lediglich Steine, mit denen die Knochen aufgeschlagen werden konnten. Andere Anthropologen konnten zeigen, dass allein für ein zielgenaues Werfen eine große Gehirnleistung erforderlich ist und andere Primaten sind dazu nicht in der Lage. Die jetzt von den Anthropologen geäußerte Vorstellung, dass sich zunächst das Gehirn entwickelte und dann mehr oder weniger brach lag, bis es dann später endlich genutzt wurde, kann man nur als naiv bezeichnen.
Unabhängig davon, ist die Diskussion um die Fett-Ernährung unserer Vorfahren von allergrößter Bedeutung, steht sie doch im völligen Widerspruch zu aktuellen Ernährungsempfehlungen der Ernährungsberatung. Diese ignoriert aber fleißig die energetischen Anforderungen des menschlichen Gehirns. Dies hat zur Folge, dass sich mehr und mehr Menschen fettarm und kohlenhydratreich ernähren und darauf mehr und mehr Menschen unter zerebralen Energieproblemen wie Migräne leiden.
Die Wissenschaft wird nicht verstehen, was Migräne ist, wenn sie sich nicht irgendwann einmal die Diskussion der Anthropologen zu Herzen nimmt.
Ein Säugling kann - wie die Artikel richtig darstellen - ohne Fettpolster und Ketonkörper im Blut auf Grund seines enormen Gehirngewichts nicht überleben. Für Erwachsene sollen aber diese einfachen Prinzipien angeblich nicht mehr gelten, selbst dann nicht, wenn sie bereits unter energetischen Problemen im Gehirn leiden und regelmäßig tagelang schmerzgekrümmt im Bett verbringen müssen. Wer einmal die fundamentale Ruhe erlebt hat, die sich einstellt, wenn das Gehirn wieder die Nahrung bekommt, für die es konstruiert wurde, der wird dies unmittelbar nachvollziehen können.