Die Ernährungsrevolution.

 


Inhaltsübersicht

Auf dieser Seite werden die folgenden Themen behandelt:


Eine Revolution, die alles veränderte

Der Mensch schuf sich seine eigene Natur

Ökonomische und ökologische Konsequenzen

Gesundheitliche Konsequenzen


Eine Revolution, die alles veränderte


Vor ca. 5.000 - 10.000 Jahren fand eine Revolution - die sog. Neolithische Revolution - statt, die in der Geschichte der Natur ohne Beispiel ist, und die in ihrer Bedeutung oft noch nicht richtig eingeschätzt wird. Vermutlich handelt es sich hierbei um die größte kulturelle Leistung, die der Mensch bislang vollbracht hat.

Diese Revolution hat dazu geführt, dass wir heute zum Mond fliegen können, aber gleichzeitig unter Migräne oder Diabetes leiden. Und: Diese Revolution hat dafür gesorgt, dass der Mensch zu einer ökologischen Plage für die Erde geworden ist.

  • Vor ca. 10.000 Jahren erfand der Mensch den Ackerbau und die Viehzucht.

Vor dieser neuen Zeit war der Mensch Bestandteil der Natur. Er war wie jedes Lebewesen darauf angewiesen, sich die Nahrung in seiner Umgebung, eben in der Natur, zu suchen. Wurde er dort über eine längere Zeit nicht fündig, dann musste er hungern und ggf. stand dann seine ganze Existenz auf dem Spiel. Auf diese Verhältnisse ist der gesamte Stoffwechsel des Menschen ausgerichtet und optimiert, im Prinzip haben sich die zu Grunde liegenden Stoffwechselmechanismen in wesentlichen Teilen über Hunderte von Millionen Jahren durch das gesamte Tierreich entwickelt.

Vor dieser Zeit hielt der Mensch eine nach heutiger Auffassung recht einseitige Diät ein, die das Ergebnis der Nahrungsbeschaffung - Jagen und Sammeln - war: Fleisch, Fisch und Früchte. Da anthropologische Funde den Schluss nahelegen, dass hauptsächlich fettreiches Großwild gejagt und dieses gegart und mit Knochenmark und Hirn verzehrt wurde, ist davon auszugehen, dass die damalige menschliche Diät sehr fettreich war.

Weston A. Price konnte beobachten, dass eine solche Diät noch von den nordamerikanischen Indianern eingehalten wurde.

Wie bereits dargestellt wurde, ist eine sichere Nahrungsversorgung in der Natur nicht immer gegeben. Dies kann besonders problematisch bei einem Lebewesen sein, dessen großes Gehirn einen sehr hohen energetischen Grundumsatz hat. Der menschliche Stoffwechsel verfügt deshalb über Schutzmechanismen, die es ihm erlauben, auch ohne Nahrung eine recht lange Zeit bei voller Leistungsfähigkeit zu überleben. Dazu gehört die Fähigkeit des Gehirns und anderer Organe, bei fehlender Nahrung Stoffwechselprodukte des eigenen Körperfetts (sog. Ketonkörper) direkt als Energie zu nutzen. Die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Ketonkörper zur Energiegewinnung zu verwerten, muss deshalb als natürlich angesehen werden.

Führende Anthropologen sind der Auffassung, dass die Kombination aus den intellektuellen Anforderungen bei der Jagd auf oftmals körperlich weit überlegene Tiere in Verbindung mit der sehr fett- und proteinreichen Nahrung der Schlüssel für das schnelle Wachstum des menschlichen Gehirns war. Die Fähigkeit des menschlichen Organismus zur Ketose gewährleistete dabei, dass auch harte Winter mit geringer Beute überstanden werden konnten.



Der Mensch schuf sich seine eigene Natur


Vor 10.000 Jahren begann der Mensch, sich aus der Natur zu verabschieden und sich seine eigene Natur zu schaffen: Mache Dir die Erde untertan. Es ist zu vermuten, dass mit der biblischen Vertreibung aus dem Paradies genau dieser Prozess gemeint ist. Und Getreide war dabei die verbotene Frucht.

Sich seine eigene Natur zu schaffen hat einige offenkundige Nachteile: Man muss u. a. richtig hart arbeiten, man muss für all das sorgen, wofür die Natur normalerweise automatisch sorgt. Es war also Schluss mit den paradiesischen Zuständen davor, als man nur nach den Früchten greifen musste.

Doch gleichzeitig gab es einige entscheidende Vorteile, die die Nachteile des harten Arbeitens mehr als aufwogen: Wenn man sich seine eigene Natur schafft, dann macht man sich unabhängig von ihr, dann kann man sogar neue Gebiete erschließen und die zum eigenen Überleben erforderlichen Nahrungsmittel mitnehmen bzw. dort mit den erarbeiteten Verfahren produzieren. Ferner macht man sich unabhängig von manchen Launen der Natur und schützt sich vor natürlichen Feinden, die um die gleiche Beute jagen.

Die Anthropologie ist ohnehin der Auffassung, dass dieser Wandel von Jagen/Sammeln hin zu Ackerbau und Viehzucht nicht aus einer Laune oder aus strategischen Überlegungen heraus, sondern aus reiner Not geschah: Die natürlichen Jagdgründe veränderten sich am Ende der letzten Eiszeit, und das zwang den Menschen nach neuen Nahrungsmitteln Ausschau zu halten. Er entschied sich, diese nicht länger in der Natur zu suchen, sondern selbst zu produzieren.

Loren Cordain schreibt dazu in Das Getreide - zweischneidiges Schwert der Menschheit:

"Als das Zeitalter des Paläolithikums (Altsteinzeit) sich seinem Ende näherte, in der mesolithischen Periode (mittlere Steinzeit: vor 20.000 - 10.000 Jahren), kam es in Europa, Nordamerika und Asien auf breiter Front zu einem Aussterben der großen Säugetiere. Das fiel zusammen mit einer grundlegend veränderten Nutzung der Umwelt, sowie anderer Nahrungsquellen durch die Jäger und Sammler. Überall auf der Welt begannen die Menschen ausgedehnter zu jagen und zu sammeln; so wurden alle Nischen ihrer Umwelt besser genutzt.
...
Zum ersten Mal tauchen vor 15.000 Jahren im Nahen Osten Mahlsteine und grobe Mörser unter den archäologischen Funden auf; sie weisen auf den Beginn der Nutzung von Getreide durch den Menschen hin.
...
Als im Pleistozän (Eiszeit, vor 10.000 Jahren) die Bevölkerungszahlen zunahmen und große Pflanzenfresser entweder ausgerottet oder sehr selten geworden waren, musste die Menschheit zunehmend häufiger auf kleine Säugetiere, Fisch, Geflügel und gesammeltes Pflanzenmaterial zurückgreifen, um ihren Kalorienbedarf zu decken. Schrittweise, je mehr sich auch diese Ressourcen zu erschöpfen drohten, wurde angesichts wachsender Bevölkerungszahlen der Ackerbau zum vorherrschenden Lebensstil und das Getreide zum bestimmenden Kalorien- und Proteinlieferanten in vielen, wenn auch nicht in allen prähistorischen Kulturen."



Ökonomische und ökologische Konsequenzen


Die Revolution bei der Nahrungsbeschaffung hatte einige unmittelbare Konsequenzen:

  • Verstärkung der Arbeitsteilung
    Gab es vorher im Wesentlichen eine Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern (Männer: Sicherstellen des Überlebens auf täglicher Basis, Frauen: Sicherstellen des Überlebens in der Zukunft), so erfolgten nun klare Spezialisierungen auf die Nahrungsproduktion (Bauer, Hirte) und andere, ggf. sogar rein geistige Tätigkeiten.

  • Verstädterung
    Die neue Nahrung wurde außerhalb der Städte produziert und konnte dann eine große Anzahl an Menschen auf gesicherte Weise versorgen.

  • Kulturelle und wissenschaftliche Weiterentwicklung
    Verstädterung und Arbeitsteilung führten zu einer verbesserten Kommunikation, Vertiefung des Wissens und einem schnelleren Wissenszuwachs.

  • Bevölkerungsexplosion
    Die Produktion der eigenen Nahrung machte den Menschen unabhängig von der Natur und befreite ihn von äußeren, natürlichen Feinden. Gesicherte Nahrungszuführung, Fertilitätssteigerungen durch die Art der Nahrungszusammensetzung (siehe weiter unten) und fehlende Feinde sorgten für einen deutlichen Bevölkerungszuwachs.

  • Ungehinderte Ausbreitung über die ganze Erde
    Die Umstellung von Jagen/Sammeln auf Ackerbau/Viehzucht erlaubte es dem Menschen, immer mehr Gebiete zu besiedeln. Dabei wurde entweder die haltbar gemachte Nahrung nachgeliefert, oder die Nahrungsproduktion wurde gemäß den erlernten Methoden in die neue Lokation exportiert. Dabei wurden ggf. große Gebiete der Natur entrissen und für die Nahrungsmittelproduktion präpariert.

Oft wird die heute vorherrschende Getreidekost damit begründet, dass sich die Menschheit anders nicht ernähren lasse, eine ausgeprägte Viehwirtschaft sei dagegen bereits aus ökologischen Gründen abzulehnen.

Auch wenn es richtig ist, dass 6 Milliarden Menschen heute nicht mit einer fleischbetonten Kost ernährt werden können, war es umgekehrt aber die Getreidekultur, die eine solche ungehinderte Bevölkerungsexplosion erst ermöglicht hat. Nicht die indianischen Ureinwohner Nordamerikas waren ein ökologisches Problem, denn ihnen war als Jäger/Sammler bewusst, dass die Natur nicht unbegrenzte Ressourcen hat und folglich zu schützen ist. Ein ökologisches Problem wurden erst die Getreide essenden nordamerikanischen Einwanderer. Und in der Tat zeigen anthropologische Untersuchungen, dass mit der Einführung der Getreidekultur weltweit auch eine Fruchtbarkeitssteigerung der Frau einherging. Diese Erkenntnis deckt sich mit Beobachtungen am Huhn, welches bei betont getreidehaltigem Futter auch deutlich mehr Eier legt als unter artgerechten Bedingungen.

Loren Cordain führt dazu in Das Getreide - zweischneidiges Schwert der Menschheit aus (S.74):

"Weitverbreiteter Anbau und Züchtung von Getreide hatten ein dramatisches Bevölkerungswachstum zur Folge, dieses wiederum führte zu den enormen kulturellen und technologischen Errungenschaften der Menschheit."

Und an anderer Stelle (S. 7):

"Getreide kann wahrhaftig als das zweischneidige Schwert der Menschheit gelten; ohne Getreide hätte es keine Neolithische Revolution gegeben. Es wäre uns weder möglich, derart hohe Bevölkerungszahlen zu ernähren wie heute (mehr als 6 Milliarden Menschen), noch wären die ausgeprägten Sozialstrukturen entstanden, welche schließlich die technologisch-industrielle Kultur hervorgebracht haben, in der wir heute leben. Die enorme Zunahme menschlichen Wissens hätte wahrscheinlich niemals stattgefunden, wäre der Ackerbau nicht eingeführt worden. Selbst unser Verständnis von Medizin, Wissenschaft und Universum ist die direkte Folge der Ausbildung sozialer Schichten, die erst durch die Neolithische Revolution geformt wurden. Andererseits ist der Ackerbau auch für viele Fehlentwicklungen der menschlichen Gesellschaft verantwortlich, darunter große Kriege, Hungersnöte, Tyrannei, Seuchen sowie die Ausbildung von Gesellschaftsschichten und Klassenunterschieden."

Man kann deshalb den Fleischkonsum nicht für ökologische Probleme verantwortlich machen, die durch die Getreidekultur erst geschaffen wurden.



Gesundheitliche Konsequenzen


Die Umwälzung bei der Nahrungsbeschaffung hatte aber auch andere entscheidende Konsequenzen: Damit die Nahrung leicht zu immer mehr Menschen transportiert werden konnte, musste sie haltbar gemacht werden, da es in den betroffenen Gebieten der Sumerer und Ägypter üblicherweise warm war. Dies hatte zur Folge, dass der Mensch zum ersten Mal mit einer Nahrung konfrontiert wurde, die durch lebensmitteltechnische Verarbeitungsprozesse völlig verändert war.

Das gilt im besonderen Maße für das Getreide. Getreide in Rohform ist für den Menschen unverdaulich. Selbst die Zähne würden durch die harte Kost auf Dauer zerstört werden. Hinzu kommt, dass Vollkorngetreide nach kurzer Zeit von Mutterkorn oder anderen Pilzen befallen und dann für den Menschen hochgiftig sein kann. Heute erklärt man sich manchen Hexenkult des Mittelalters mit psychotischen Verhaltensweisen nach dem Genuss von mit Mutterkorn verseuchtem Getreide.

Folglich wurde das Getreide ausgemahlen, angesäuert, gebacken usw., bis man eine Form gefunden hatte, die die meisten Menschen ohne unmittelbare gesundheitliche Schäden verzehren konnten. Spätestens bei den Ägyptern entwickelte sich das Brot zur Grundnahrung der breiten Masse.

Mit dem Getreide kamen aber weitere Probleme. Zum einen enthält Getreide Inhaltsstoffe (Gluten, Antinutritiva), die bei empfindlichen Personen zu schwerwiegenden gesundheitlichen Störungen führen können (u. a. Zöliakie/Sprue, aber auch neurologische Erkrankungen), auf der anderen Seite unterscheidet sich diese Nahrung schon allein in der groben Nahrungszusammensetzung von allem, was der Mensch die letzten Millionen Jahre davor gegessen hatte: Getreide ist vor allem sehr kohlenhydrathaltig (stärkehaltig) und führt damit zu einer ganz wesentlichen Verstärkung der Insulinausschüttung, ein Aspekt, auf den wir speziell im Kapitel über Unterzuckerung noch näher eingehen werden. Ferner unterbindet dauerhaft kohlenhydrat- und kalorienreiche Nahrung mit der Zeit die Ketolyse-Fähigheit des Gehirns, was zu energetischen Ungleichgewichten und gesundheitlichen Störungen führen kann, wie in Kohlenhydrate versus Fett dargestellt wird.

Im Vergleich zu der davor üblichen sehr fleischbetonten Kost war die Getreidekost gleichzeitig sehr arm an Nährstoffen.

An historischen Knochenfunden lässt sich nachweisen, dass die mittlere Lebenserwartung in diesem Zeitraum rückläufig war. Ferner sind erste massive Zahn- und auch Gelenkschäden feststellbar. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Beschreibungen der heutigen großen Zivilisationsplagen wie Übergewicht oder Migräne. Und auch die ägyptischen Mumien weisen erhebliche gesundheitliche Probleme auf. Die neue Art der Nahrungsbeschaffung ging eindeutig zu Lasten der Gesundheit.

Loren Cordain führt dazu in Das Getreide - zweischneidiges Schwert der Menschheit aus:

"Als die vorwiegend auf Fleisch aufbauende Kost der Jäger und Sammler durch eine auf Getreide beruhende Ernährung ersetzt wurde, waren die Folgen in allen Erdteilen gleich: Das Höhenwachstum entwickelte sich rückläufig (die Menschen wurden kleiner), die Kindersterblichkeit nahm zu, die Lebenserwartung sank (die Menschen starben früher), Infektionserkrankungen traten häufiger auf, Eisenmangelkrankheiten (Blutarmut) nahmen zu, ebenso wie Knochenerweichung, Deformationen des Schädels und andere auf Mineralstoffmängel zurückzuführende Knochenerkrankungen, und es kam vermehrt zu Dentalkaries sowie anderen krankhaften Veränderungen des Zahnschmelzes."

Im Rahmen der Viehwirtschaft fand ein weiteres Nahrungsmittel in erheblichem Umfang Eingang in die menschliche Lebensmittelversorgung: Milch. Milch steht Jäger/Sammler-Kulturen nicht zur Verfügung, da sich eine ausgewachsene Milchkuh in freier Wildbahn nur unter unmittelbarer Lebensgefahr melken lässt.

Auch frische Milch lässt sich speziell in großer Hitze nur kurze Zeit aufbewahren. Also mussten Methoden entwickelt werden, die Haltbarkeit entscheidend zu verlängern. Das gelang schließlich durch Ansäuern, Fermentieren, Erhitzen usw..

Tiermilch unterscheidet sich im Gehalt an wesentlichen Elektrolyten zum Teil erheblich von allen anderen Nahrungsmitteln.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass durch die fundamentalen Veränderungen bei der Nahrungsbeschaffung vermehrt Lebensmittel in den menschlichen Stoffwechsel drangen,

  • die einerseits durch Vorverarbeitungen und Haltbarmachen stark in ihrer natürlichen Konsistenz verändert waren,
  • die relativ nährstoffarm waren,
  • für die eine genetische Anpassung des Menschen auf Grund der kurzen Gewöhnungszeit nicht zwangsläufig angenommen werden kann,
  • die sich in ihrer groben Nährstoffzusammensetzung bzgl. Proteinen, Fetten und Kohlenhydraten aber zum Teil auch bezüglich anderen Nährstoffen (Elektrolyten, Omega3/Omega6 usw.) fundamental von dem unterschieden, was der Mensch Millionen Jahre lang gegessen hatte. Im folgenden Kapitel über Unterzuckerung werden wir näher erläutern, welche Rolle diese Änderung im Rahmen der Migräneerkrankung spielt.